Positives Denken wird schnell mal als billiger Optimismus abgetan. Mir geht es jedoch viel mehr um realistisches Denken. Die Wirklichkeit – im Aussen wie auch im eigenen Kopf – besteht aus vielen unterschiedlichen Puzzleteilen. Da unser Gehirn Probleme und Gefahren liebt, nehmen wir oft nur die schlechten Teile wahr und blenden dabei die guten und neutralen Teile aus. Das Gehirn reagiert stärker auf Negatives und lernt dann im Übermass daraus. Diese Neigung hat gut funktioniert und unser Überleben gesichert. Heute stellt diese Negativverzerrung des Gehirns jedoch etwas dar, was unsere Lebensqualität massiv beeinträchtig. Das Gesamtbild zu betrachten, ist aber wichtig.
Wie wäre es also für 2018 mit etwas mehr Lebensqualität, Zufriedenheit, Leichtigkeit und Glück? Können Sie haben, auch wenn Sie noch nicht wissen, was das Neue Jahr für Sie im Detail bereithält. Wir haben es zu einem grossen Teil selber in der Hand, wie viel Zufriedenheit und Lebensfreude wir erfahren. Es geht um einen konstruktiven, achtsamen, bewussten Umgang mit den alltäglichen Herausforderungen. Mein Normalzustand bezüglich Wohlbefindens liegt auf einer Skala von -10 und +10 deutlich im positiven Bereich. Im Verlauf des Tages mag sich der Wert auf der Skala etwas verändern, dennoch gibt es so etwas wie einen Durchschnittswert, vergleichbar mit einem Thermostat. Zu diesem Wert finde ich immer wieder zurück, nachdem ich Höhen oder Tiefen durchlebt habe. Und wo auf dieser Skala befindet sich Ihr Normalzustand? Dabei stellen sich zwei Fragen. Wie kann er erhöht werden? Und wie schnell kommen Sie wieder auf die Beine, wenn Sie schwierige Dinge erleben (was einfach zum Leben gehört)?
Forschungen zeigen, dass ungefähr ein Drittel des Grundtemperaments einer Person genetisch vorgegeben ist. Die restlichen zwei Drittel werden durch Lebensumstände und den damit korrespondierenden Erfahrungen beeinflusst. Wie reagiere ich auf das, was mir begegnet? Welchen Sinn gebe ich und wie gelingt es mir, an dem zu wachsen, was mir begegnet?
Zurück zu den Puzzleteilen bedeutet dies, bewusst die schlechten Puzzleteile in meinem Leben wahrnehmen, annehmen und einen Umgang mit ihnen finden. Statt sie zu verleugnen oder zu verstecken, sich darum kümmern und sie mit all ihren „negativen“ Emotionen akzeptieren. Erst wenn ich sie annehme, können sie sich auch verändern. Und dann all die guten Teile sehen und diese anwachsen lassen. Erfahrung allein rinnt durch das Gehirn wie Wasser durch ein Sieb. Deshalb reicht es nicht aus, einen positiven Zustand – einen Gedanken, ein Gefühl, eine Körperempfindung – zu erleben. Wir müssen diesen positiven Zustand vielmehr in uns „einschreiben“, um ihn als dauerhafte Veränderung unserer neuronalen Strukturen nutzen zu können. All die unzähligen kleinen, schönen, erfreulichen Erlebnisse – ein unerwarteter Dank, ein überraschendes Lächeln, der Sonnenaufgang, der leckere Cappuccino, etc. – bewusst wahrnehmen, im Körper fühlen, dankbar sein.
Forschungen bestätigen, dass Menschen hilfsbereiter werden, mehr beitragen, besser mit negativen Emotionen umgehen können, kreativer sind und an innerer Stärke zulegen, wenn es ihnen gelingt „glücklicher“ zu werden. Deshalb erstaunt es auch nicht, dass immer mehr Angebote im Bereich Achtsamkeit, Persönlichkeitsentwicklung, Happiness, etc. auch in Unternehmen vermittelt werden. Diese stehen in direktem Zusammenhang mit den steigenden Anforderungen an Mitarbeitende. Mittels positivem Denken entwickeln wir eine andere Haltung gegenüber Veränderungen und können gelassener und zuversichtlicher mit Komplexität, Kontrollverlust und Druck umgehen.
Es sind die kleinen Momente, die sich im Laufe der Zeit zu etwas Grossem summieren und unser Wohlbefinden und Glück steigern. Was immer es ist, es geht darum, diese schönen Momente ganz bewusst wahrzunehmen, aufzunehmen und darauf zu vertrauen, dass wir uns dadurch mit der Zeit zum Positiven verändern. Glücklich sein ist auch eine Entscheidung.
(Quelle: Rick Hanson, Neuropsychologe)