Oder: Worin besteht eigentlich der Wert von Mitarbeitenden?

Nicht alle Wertebotschaften, die Führungskräfte ihren Mitarbeitenden übermitteln, gehen derart ins Leere, wie die in der Überschrift. Doch viele sind nahe dran. Wobei die Unsicherheit, das richtige Doing betreffend, auf beiden Seiten wächst. Alle reden über wertebasiertes Handeln im Unternehmen, doch nur wenige erklären, was genau unter „Wert“ zu verstehen sei.

 

Entsprechend diffus agieren Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden im Unklaren darüber lassen, welche Prämissen das eigene Handeln anleiten und welches die Werte sind, denen die Organisation folgt. Was letztere angeht, mag ein Blick in die Imagebroschüre oder den Code of Conduct helfen. Was die Kolleginnen und Kollegen betrifft: Im alltäglichen Mit- bzw. Gegeneinander erleben sie konkret, ob sie in einer wertebasierten und werteschätzenden Umgebung arbeiten oder nicht.

 

Was macht meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigentlich wertvoll für mich? Haben Sie sich als Führungskraft je diese Frage gestellt?  Und wie lässt sich der Wertbegriff in diesem Kontext, also im Spannungsfeld zwischen persönlicher Motivation und unternehmerischen Produktivitätserwartungen, präzisieren?

 

Klar: Wir alle haben Werte, die unser Denken und Handeln bestimmen, ohne dass wir uns dessen immer bewusst sind. So wichtig Werte für uns sind, so schwer sind sie zu greifen. Neben individuellen Werten, denen mehr oder weniger jeder Mensch folgt, wird unser Handeln auch durch religiös, historisch und gesellschaftlich vermittelte Werte bestimmt. Was davon gilt im jeweiligen sozialen Miteinander? Fakt ist: Es herrscht ein „Wertechaos“ wie wohl selten in der abendländischen Kulturgeschichte.

 

Weiter noch: Man könnte diese Unschärfe geradezu als Kennzeichen unserer postmodernen, globalisierten Gegenwart verstehen. Mit weitreichenden Konfliktpotentialen. Aktuell scheint „der Westen“ sein in langen Auseinandersetzungen erkämpftes Wertegerüst rund um Individualität, Freiheit und Selbstbestimmung immer stärken gegen rückwärtsgewandte, auf Sicherheit, Familie, Religion und Nationalität bauende Identitäts- und Wertkonzepte verteidigen zu müssen.

 

Ein Clash of Cultures, der auch quer durch die Gesellschaften verläuft und nicht zuletzt in der Arbeitswelt seinen Widerhall findet. „Command and Control, Kindergarten, Bürokratie und Burnout“ gegen „Partnerschaft auf Augenhöhe, Selbstorganisation: Vertrauen und Unternehmergeist auf allen Stufen“, wie mein geschätzter hr4hr Netzwerkkollege Peter Wyss (Hierarchiefrei ist besser!) in „wertender“ Überspitzung, dafür nicht weniger treffend formuliert.

 

Mit welchem Konzept ich sympathisiere, erkennen Sie unschwer. Doch auch ich als Kind eines wertkonservativen Elternpaares musste lernen: Werte verändern sich im Laufe unserer Entwicklung. Erst recht unsere unterschiedlichen Rollen im Alltag erfordern vielfältige „Wertebewusstseine“. Ständig passen wir unsere Wertvorstellungen an neue Umgebungen an, allen voran an unsere rapide sich verändernde Arbeitswelt.

 

Woher kommt also die Kraft, die wir jeden Tag benötigen um unsere Aufgaben und Ziele zu erreichen? Was treibt uns an, wenn Spaß und Motivation aufgebraucht sind? Wenn die Macht der Neuerungen uns plattzumachen droht?

 

Werte sind und bleiben das unwiderstehlichste Movens. Werteorientierte Führung muss sich mehr denn je zum Ziel setzen, diese Kraft zu entfalten. Negativ gesprochen: Passt Führung nicht zu den individuellen Werten der Mitarbeitenden, verpufft sie wirkungslos oder löst sogar Widerstand aus. Empathie alleine genügt nicht, wenn ich als Führungskraft einzig in meinem Welt- und Werteverständnis bleibe – oder dieses nicht kommunizieren bzw. vorleben kann.

 

Es braucht eine Erweiterung des eigenen Gedankenhorizonts. Wobei es erstmal nicht um Wertung geht, sondern um Passung. In einem chinesischen Unternehmen mögen andere Werte herrschen als in einem europäischen. Zeigen sich trotzdem Schnittmengen, die eine fruchtbare Zusammenarbeit ermöglichen? Und welche wären das?

 

Ähnliche Fragen ergeben sich auf Mikroebene in der Organisation. Jeder Mensch ist individuell und soll so sein dürfen, wie er ist. Unsere Produktivität und unser Wohlstand erlauben uns enorme individuelle Freiheitsgrade. Wir können es uns deshalb leisten, nicht den einen Führungsstil finden zu müssen. Stattdessen können wir die Unterschiedlichkeit der Menschen in unserem Wirkungs- und Einflussbereich erkennen und unseren Führungsstil zu diesen passend ausrichten.

 

Nutzen wir diese Freiheit und ergreifen wir die Chance zur Weiterentwicklung unserer Wertesysteme. Dazu müssen wir uns bewusst und offensiv mit unseren Werten auseinandersetzen – sowohl in persönlichen wie auch in organisatorischen Transformationsprozessen.

 

Das bedeutet keinen Werterelativismus. Im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass einer dynamischen, auf dem Wert „Freiheit“ beruhenden Wertebasis die Zukunft gehört. Warum? Ganz einfach: Weil Menschen, die ihre Persönlichkeit freier entwickeln dürfen, die glücklicheren Menschen sind und (deshalb) am Ende auch die „wert“volleren, da produktiveren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Dass ich mich mit diesem Konzept u.a. am Spiral Dynamic Modell von Clare Graves sowie an den Ansätzen von Frederic Laloux (Reinventing Organisation) orientiere, haben Sie vielleicht schon vermutet.

 

Wenn Sie die bahnbrechenden Konsequenzen dieser modernen Ansätze noch nicht kennen, würden wir uns freuen, Sie Ihnen und Ihrer Organisation eines Tages transparent und nutzbar machen zu können. Die Erkenntnisse werden Sie überraschen, das verspreche ich Ihnen.

 

Nehmen Sie sich die Freiheit(en)! Herzlichst, Ihre Imelda Breitenmoser