Organisationen entwickeln sich über ihre Mitarbeitenden

Otto Scharmer mal live zu erleben, war ein lang gehegter Wunsch von mir, begleitet mich seine Theorie U doch schon seit bald 10 Jahren. Mitte März hatte ich nun das Vergnügen. Die Achtsamkeitsverbände Deutschland und Österreich organisierten in Salzburg einen Grossgruppenworkshop mit Otto Scharmer zum Thema «Theorie U, Mindfulness & Global Change».

 

Gerne lasse ich Sie teilhaben an meinen ganz persönlichen Eindrücken dieses Tages. Vielleicht können Sie ja mit dem einen oder anderen Gedankengut auf Resonanz gehen. Die Qualität lag für mich wie so oft in den wertvollen Fragen. Die Antworten müssen wir in uns selber finden.

  • Die Disruption der Gesellschaft vollzieht sich vielerorts mit Brüchen und Rückkehr zum «Alten». Am Beispiel der USA mit Trump lässt sich dieses Phänomen gemäss Otto Scharmer gut beobachten. Die Augen verschliessen, vor dem was passiert und mit Fake News (denying) vom eigentlichen Problem ablenken, fehlende Empathie für anders Denkende (de-sensing), alles dreht sich um das eigene Ego (absencing), die Schuldigen sind immer die Anderen (deceiving), statt gewünschtes Neues zu schaffen, geht es in erster Linie um Zerstörung oder Resultate zu erreichen, die eigentlich (fast) niemand will (destroying).

 

  • Für Otto Scharmer gibt es drei verschiedene Reaktionen auf die Disruption der Gesellschaft:
    – Downloading – weiter machen wie bisher, abspulen der vertrauten Muster
    – Absencing – zurück zum Alten, rigides Verhalten
    – Presencing – Zukunft gestalten, Neues erschaffen
    Dabei geht es weniger um die Frage «ist dieses Verhalten gut oder schlecht?», sondern vielmehr darum, ob mein Verhalten adäquat ist. Und wie erlebe ich mich in meinem Alltag? Wann bin ich im Downloading-Modus? Wann im Absencing? Welche Fragen muss ich mir heute stellen für meinen eigenen Weg in die Zukunft? Wieweit stelle ich mein eigenes Selbst ins Zentrum?

 

  • Um eine neue Zukunft zu schaffen, braucht es die Fähigkeit sich für Neues zu öffnen. Wie stellen wir Verbindung her zu dem, was alles da ist? Die Zukunft ist schon da, wir müssen nur das Feld der Möglichkeiten nutzen. Doch wie kann ich dieses Feld wahrnehmen? Otto Scharmer lud zur Umkehrung des Blickes ein. Den Blick nach innen richten und in sich hineinhören. Wie entwickeln wir die Fähigkeit zu einem vertieften «Listening»? Wie erreichen wir ein Stadium von «open mind», «open heart» und «open will»?Alles beginnt mit einer bewussten Aufmerksamkeit auf «Presencing» (Wortschöpfung aus Presence & Sesing). Im Hier und Jetzt sein! Solange ich nicht präsent bin, nehme ich nicht wahr. Wir sind zwar physisch anwesend, mental aber abwesend – der Autopilot hat die Führung übernommen. Es geht in erster Linie darum, kollektive Aufmerksamkeitsräume zu gestalten und eine andere Beziehungsqualität herzustellen. In Beziehung zu gehen mit mir und mich dann mit meinem Gegenüber zu verbinden.

 

  • Verstehe ich mich als Teil des Systems und bin ich mir bewusst, dass Veränderung des Systems nur über das Persönliche geht? Für eine systemische Entwicklung braucht es persönliche Entwicklung. Wie stelle ich echte Verbundenheit her? Dies geschieht immer über das Herz.

 

Mein Fazit aus diesem Tag lautet: Das System bin ich, sind wir alle. Oft sprechen wir über die Systeme, in denen wir uns bewegen (die eigene Familie, die Unternehmung, die Gesellschaft), als wären wir nicht Teil davon. Als wären wir davon abgespalten. Wir sehen uns weniger als Gestalter oder Verursacher, sondern viel mehr als Opfer davon. Und als Opfer erkennen wir unseren eigenen Anteil am Erhalt des Systems nicht und fühlen uns auch nicht in der Verantwortung.

Denken Sie beispielsweise an Ihr eigenes Team. Teams wie auch Organisationen entwickeln sich über ihre Mitarbeitenden. Um das Meer der Möglichkeiten und Potential des ganzen Teams zu nutzen, braucht es die Fähigkeit, sich zu öffnen, alte Vorstellungen loszulassen und neue Gedanken zuzulassen, gleichsam zu erspüren. Sie müssen Ihre Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt richten. Das eigene Selbst ins Zentrum der Beobachtung stellen und sich selbst im System erkennen. Was ist Ihr bewusster und unbewusster (blinder Fleck) Beitrag zum Erhalt des Systems resp. Verhinderung der Weiterentwicklung? Dies bedingt regelmässige Räume für eigenes beobachten, wahrnehmen und reflektieren um mittels Neuem Denken, Fühlen und Handeln die gewünschte Zukunft zu gestalten. Dieser Prozess ist immer eine Kombination aus Herz und Verstand.

Viel wichtiger als sich zu vernetzen, ist sich zu verbinden. Wenn wir uns auf unser Gegenüber einlassen und in Verbindung gehen, findet echte Begegnung statt. Das Ergebnis einer solchen Begegnung ist, dass wir am Ende des Gesprächs nicht mehr die selbe Person sind, die das Gespräch begann.

Eine Fülle von Hintergrundmaterial und inspirierenden Videos finden Sie auf http://www.ottoscharmer.com